II. Zivilprozessrecht
57 Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands (§ 6 Abs. 2 AnwT; § 3 Abs. 2 Satz 2 AnwT) - Aus der Praxis, wonach für zusätzliche Rechtsschriften und Ver- handlungen in der Regel ein Zuschlag von 20 % gewährt wird, kann nicht abgeleitet werden, dass der Wegfall der Hauptrechtsschriften und der Hauptverhandlung einen Abzug von maximal 20 % erlaube. - Die Bemühungen des Anwalts im Zusammenhang mit der Gewäh- rung der unentgeltlichen Rechtspflege sind wie eine in einer einfa- chen Gesuchssache im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 2 AnwT erstattete Rechtsschrift mit dazugehöriger Instruktion zu entschädigen, wobei ein Betrag von Fr. 350.00 bis Fr. 700.00 angemessen erscheint. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer, vom 15. August 2016
(ZOR.2016.23).
Aus den Erwägungen 3.4.2
[...]
Fehlt es wie vorliegend an einer Hauptverhandlung, weil an der
mit der Grundentschädigung abgegoltenen Einigungsverhandlung
eine Scheidungskonvention unterzeichnet werden konnte, ist ein dem
Minderaufwand des Anwalts entsprechender Abschlag gemäss § 6
Abs. 2 AnwT angezeigt. Aus der Praxis, wonach für zusätzliche
Rechtsschriften und Verhandlungen in der Regel ein Zuschlag von
20 % gewährt wird, kann nicht abgeleitet werden, dass der Wegfall
der Hauptrechtsschriften (Klage/Klageantwort) und der Hauptver-
handlung (mit Ergänzung des Behauptungsund Durchführung des
Beweisverfahrens) spiegelbildlich einen Abzug von maximal 20 %
erlaube, nachdem diese der Sammlung des Prozessstoffes, die zusätz-
lichen Vorkehren hingegen lediglich dessen Ergänzung dienen. Die
Hauptverhandlung ist regelmässig aufwändiger als die Einigungsver-
handlung, welche vorliegend lediglich 1.5 Stunden in Anspruch ge-
nommen hat. Da die Hauptverhandlung entfallen ist und der Kläger
keine (Haupt-)Rechtsschrift bzw. Klageantwort erstattet hat, er-
scheint ein Abzug für den dadurch entstandenen Minderaufwand von
insgesamt 50 % gerechtfertigt. Die von der Vorinstanz vorgenomme-
nen Abzüge von insgesamt 50 % sind somit im Ergebnis nicht zu
beanstanden.
[...]
3.4.3.
Wie dem Beschwerdeführer aus dem ihn betreffenden Entscheid
des Obergerichts vom 23. Oktober 2012 (ZOR.2012.81) bekannt sein
sollte, sind die Bemühungen des Anwalts im Zusammenhang mit der
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege praxisgemäss nicht mit
einem Zuschlag gemäss § 6 Abs. 3 AnwT, sondern wie eine in einer
einfachen Gesuchssache im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 2 AnwT er-
stattete Rechtsschrift mit dazugehöriger Instruktion zu entschädigen,
wobei für ein Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechts-
pflege inkl. dazugehöriger Instruktion ein Betrag von Fr. 350.00 bis
Fr. 700.00 angemessen erscheint, was 25 - 50 % einer Grundentschä-
digung von Fr. 1'400.00 nach § 3 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 3
Abs. 1 lit. b AnwT entspricht. Nachdem die Mandantin des
Beschwerdeführers gemäss dessen Gesuch vom 11. Mai 2015 auf Er-
gänzungsleistungen angewiesen war, haben sich die Verhältnisse als
einfach präsentiert. Ausserdem hat der Beschwerdeführer im Gesuch
darauf hingewiesen, dass er persönlich über keine weiteren Unterla-
gen als den Kontoauszug der Beklagten verfüge (woraus deren Ab-
hängigkeit von Ergänzungsleistungen ersichtlich ist), weshalb er das
Gerichtspräsidium erbete, sich direkt an den Beistand zu wenden,
wenn wider Erwarten ergänzende Auskünfte und Unterlagen benötigt
würden. Daraus erhellt, dass der Instruktionsaufwand äusserst gering
gewesen ist. Es rechtfertigt sich aus diesen Gründen von einem Be-
trag von Fr. 350.00 für das URP-Gesuch auszugehen.